Heute wird der vor wenigen Tagen ausgehandelte Ampel-Koalitionsvertrag in Kraft treten und die neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen. Die beiden den Wald betreffenden Ministerien werden ab sofort von Grünen-Politikern geführt. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft von Cem Özdemir. Steffi Lemke übernimmt die Verantwortung im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.
Der 177 Seiten starke Koalitionsvertrag verspricht unter anderem, die Forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse weiter zu stärken. Interessante Textstellen finden sich insbesondere auf den Seiten 36 bis 39 (Umwelt- und Naturschutz; Natürlicher Klimaschutz) sowie auf Seite 55 (Klimaschutzgesetz). Im Folgenden finden Sie eine Einordnung der für die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer relevanten Passagen des Vertrages:
Positive Aspekte:
- Evaluierung und gegebenenfalls Anpassung des Forstschädenausgleichgesetzes (Z. 1213): Bereits in der letzten Legislaturperiode wurden von einer Arbeitsgemeinschaft im Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft Eckpunkte für eine Novellierung erarbeitet. Eine Evaluierung im engeren Sinne ist nicht mehr notwendig. Positiv ist aber zu bewerten, wenn Krisen- und Risikoinstrumente für den Wald etabliert werden.
- Überprüfung der Form und Intervalle der Bundeswaldinventur und Einführung eines digitalen Waldmonitorings (Z. 1214): Es ist sinnvoll, die bisher zehnjährigen Intervalle mit dem Ziel aktuellerer Daten zu verkürzen. Wie genau ein „digitales Waldmonitoring“ aussehen wird, bleibt abzuwarten. Hier gibt es auch Querverbindungen zum geplanten EU-Waldmonitoring.
- „Der Bund wird zusammen mit den Ländern einen langfristigen Ansatz entwickeln, der konkrete, über die bisherigen Zertifizierungssysteme hinausgehende Anforderungen an zusätzliche Klimaschutz- und Biodiversitätsleistungen adressiert, diese honoriert und die Waldbesitzer dadurch in die Lage versetzt, ihre Wälder klimaresilient weiterzuentwickeln und, wenn nötig, umzubauen oder Neu- und Wiederbewaldung zu unterstützen.“ (Z. 1215 ff): Es ist zu grundsätzlich begrüßen, dass die Honorierung der Klimaschutz- und Biodiversitätsleistung im Vertrag verankert ist. Das eine Ampelkoalition dabei Anforderungen formuliert, die über die bisherigen Zertifizierungssysteme hinausgehen, ist nicht überraschend. Auch hier gibt es Querverbindung zur Ankündigung in der EU-Waldstrategie, ein ökologisches Zertifizierungssystem zu entwickeln.
- Holzbauinitiative (Z. 1224): Dieser Punkt ist klar zu begrüßen, zumal damit – auch wenn nur indirekt – die von uns immer wieder nach vorn gestellte aktive und nachhaltige Waldbewirtschaftung gestärkt wird, denn nur so kann das Holz auch bereitgestellt werden.
- „Wir stärken forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse.“ (Z. 1226): Sehr zu begrüßen im Sinne einer Unterstützung für den Kleinprivatwald.
- Deutliche Stärkung des Vertragsnaturschutzes für Maßnahmen (Z. 1163): Dies ist grundsätzlich zu begrüßen, ein eigentumsfreundlicher Vertragsnaturschutz statt starrer Regulatorik.
- Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes (Z. 1773): Die Rolle des Waldes (insbesondere die Substitutionswirkung) wurde bei der Änderung des Klimaschutzgesetzes im Sommer 2021 nicht annähernd anerkannt, eine Überarbeitung ist dringend geboten.
Negative Aspekte:
- Novellierung BWaldG (Z. 1212): Auch wenn das Thema „gute fachliche Praxis“ im Vertrag nicht genannt wird, ist zu befürchten, dass im Novellierungsverfahren hierzu eine Definition erfolgen wird.
- Waldumbau mit „überwiegend standortheimischen Baumarten“ (Z. 1211): Gerade mit Blick auf die Anpassung der Wälder an den Klimawandel ist der weitgehende Ausschluss nicht-heimischer Baumarten nicht zielführend. Hier wird unnötigerweise das Baumarten-Portfolio und damit der Reaktionsspielraum auf den Klimawandel verengt.
- „Wir entwickeln ein Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, mit dem wir Synergien zwischen Natur- und Klimaschutz schaffen und stärken mit Renaturierungsmaßnahmen die Resilienz unserer Ökosysteme, insbesondere Moore, Wälder, Auen, Grünland sowie marine und Küstenökosysteme, gegen die Klimakrise. Wir stellen eine ausreichende Finanzierung aus dem Energie- und Klimafonds bereit. Zusätzlich richten wir einen Bundesnaturschutzfonds ein und bündeln die bestehenden Bundesprogramme zum Naturschutz.“ (Z. 1190 ff): Negativ, da hier die Finanzierung der Ökosystemleistungen des Waldes und speziell der CO2-Bindung des Waldes mit anderen Naturschutzinitiativen konkurriert. Die Bündelung und Stärkung von Bundesprogrammen zum Naturschutz würde eine höhere Flächenausstattung mit sich bringen und damit weitere Waldflächen unter Schutz stellen.
- „Wir setzen uns im Rahmen der Konvention über Biologische Vielfalt (CBD) im Sinne der europäischen Biodiversitätsstrategie dafür ein, 30 Prozent Schutzgebiete zu erreichen und diese wirksam zu schützen.“ (Z. 1142ff): Die Wälder auf Biodiversität zu reduzieren und ihre Multifunktionalität auszublenden ist nicht zielführend. Damit werden die Klimaschutzleistung der Wälder und die Substitutionswirkung des Rohstoffes Holz gänzlich außer Acht gelassen.
- „Das europäische Naturschutzrecht setzen wir eins-zu-eins um.“ (Z. 1162): Negativ, dass EU-Politiken ohne Rücksicht auf regionale Besonderheiten umgesetzt werden sollen.
Neutrale Aspekte:
- Einsatz von Pestiziden soll deutlich verringert werden (Z. 1174): Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist die Ultima Ratio, sollte aber eben nicht komplett ausgeschlossen werden. Eine deutliche Verringerung hat sich in der Vergangenheit bereits de facto ergeben.
- „Wir wollen die Kaskadennutzung als Grundsatz verankern.“ (Z. 1225): Hier bleibt abzuwarten, was dies in der politischen Umsetzung heißt. Klar ist, dass die Grünen dem Thema Energieholz kritisch gegenüberstehen.
- „Wir stoppen den Einschlag in alten, naturnahen Buchenwäldern in öffentlichem Besitz.“ (Z. 1219): Keine Einschränkung im privaten Waldbesitz, allerdings werden alte Buchenwälder dem voranschreitenden Klimawandel nicht begegnen können.
- „Die Wälder im Bundesbesitz sollen mittelfristig mindestens nach FSC- oder Naturland-Standards bewirtschaftet werden.“ (Z. 1220): Dies betrifft zwar nur rund 3,5 % Bundesforsten, ist aber wettbewerbsrechtlich sehr fragwürdig mit Blick auf PEFC.
Zu einem möglichen neuen Novellierungsverfahren für das BJagdG findet sich keine Passage im Vertrag. Erfreulich ist, dass der Grünen-Begriff „Monokulturen“ nicht fällt. Die Grünen konnten auch ihre Forderung aus dem Wahlprogramm, 5 % der Wälder komplett aus der Nutzung zu nehmen, nicht in den Vertrag hineinbringen.
Den gesamten Koalitionsvertrag finden Sie im PDF-Format mit Zeilennummerierung hier.